-- Noch was aktuelles: wir haben jetzt 6 Wochen Sommerferien und seeeehr schönes Wetter, aber es fühlt sich absolut nicht an wie Dezember, auch, wenn schon viel geschmückt und dekoriert ist.--
Mein Name ist Emily
Koch, ich bin 18 Jahre alt und ich bin inzwischen, gemeinsam mit
meiner Mitfreiwilligen Julia, circa drei Monate in Kapstadt, über
10.000 Kilometer entfernt von meiner Familie und meinen Freunden, dem
vertrauten Umfeld und meinem zu Hause. Jedoch kann ich sagen, dass
ich auch hier in meiner Einsatzstelle eine zweite Familie gefunden
habe und “Zu Hause" angekommen bin.
Meinen
Weltwärts- Freiwilligendienst absolviere ich an der Eros
School for Cerebral palsy in Bridgetown,
einem Teil Athlones, was wiederum ein Stadtteil Kapstadts ist. Die
Eros School ist eine Schule für Kinder mit Lähmungen und
Lernschwäche. Es wird von der Vorschule bis zur 12. Klasse
unterrichtet. Die Schule ist gegliedert in Foundation phase
(Vorschule bis Klasse 3), Intermediate phase (Klasse 4 bis Klasse 7)
und Senior phase (Klasse 8 bis Klasse 12). Außerdem gibt es
sogenannte Multi-level-Klassen und Vocatioal-Klassen für
Schülerinnen und Schüler, die keine Chance haben werden, jemals
eine Universität zu besuchen. Diese bekommen somit die Gelegenheit,
hauswirtschaftliche Aufgaben wie zum Beispiel Kochen zu erlernen.
Laut eigener Aussage der Schule wird nach dem offiziellen Lehrplan
unterrichtet, jedoch kommt es vor, dass Kinder in die nächste Klasse
versetzt werden müssen, auch wenn sie nicht das notwendige Level
erreicht haben, sie aber zu alt sind, um ein weiteres Jahr in ihrer
Klasse zu bleiben. Die Schule bietet verschiedene Arten von Therapie
an, Sprach-Therapie, Physiotherapie und OT (occupational therapy),
eine Art Therapie, in der an der Feinmotorik und Gruppendynamik
gearbeitet wird. Außerdem begleiten wir jeden Freitag eine Gruppe
von Schülerinnen und Schülern der ersten und zweiten Klasse zum
Reiten, was uns jedes mal aufs Neue begeistert und berührt, da es
für viele Kinder das Highlight der Woche ist. Schulbeginn ist jeden
Tag um 08:00 Uhr. Montags, mittwochs und donnerstags endet die Schule
um 14:30 Uhr, dienstags um 14:00 Uhr und freitags um 12:30 Uhr.
Ich bin ein
"Assistent teacher" in Grade 1. Grade 1 besteht zurzeit aus
zwei Schülerinnen und neun Schülern. Ich helfe den Kindern beim
lesen, schreiben und rechnen und bei allgemeinen Problemen und
Fragen. Des Weiteren zählt es zu meinen Aufgaben, meiner Lehrerin
bestmöglich unter die Arme zu greifen, indem ich zum Beispiel
kopieren gehe, organisatorisches kläre oder die Kinder zur
Krankenschwester bringe. Sie ist sehr dankbar für meine Hilfe und
weiß sehr zu schätzen, dass ich da bin. Es gibt Tage, da ist es
schon etwas anstrengend, anstrengender als man sich eine Klasse mit
11 Kindern vielleicht vorstellt, aber einfache, komplexe Dinge wie
zum Beispiel das Hände waschen vor dem Essen, nehmen viel mehr Zeit
in Anspruch, als man denkt. Man muss sich viel häufiger einzeln mit
den Kindern beschäftigen, da es fast allen schwer fällt, sich zu
konzentrieren und sich einfache Dinge zu merken und sie zu verstehen.
Da wird es teilweise zur Langzeitaufgabe, einem 7-jährigen Jungen
das Alphabet oder die Zahlen beizubringen. Viele der Schüler/-Innen
bekommen auch täglich Ritalin, was ihnen dabei helfen soll, sich zu
konzentrieren und still zu sitzen. Doch mit einer Umarmung, einem
Lächeln oder einem "I love teacher Emily", ist all der
Stress vergessen. Ich genieße wirklich jeden Tag und die Kinder sind
mir schon so sehr ans Herz gewachsen, dass es mir im ersten Moment
sicher schwer fallen wird, nach den großen Sommerferien, die jetzt
anstehen, nicht mehr in meiner gewohnten Klasse zu helfen. Zwei
Jungen meiner jetzigen Klasse müssen allerdings wiederholen und
bleiben daher noch ein Jahr in der ersten Klasse. Ich freue mich aber
auch auf meine neue Klasse, wo ich die Kinder aus der Vorschule
schon alle kenne und ins Herz geschlossen habe. Außerdem sehe ich
auch die zweite Klasse jeden Tag.
Die Eros School hat ein eigenes Hostel, in dem 60 bis 70
Schülerinnen und Schüler der insgesamt 330 Schüler/-Innen leben.
Auch Julia und ich wohnen in dem Schulhostel. Um circa 7:15 Uhr
morgens ist Frühstück, um 15:00 Uhr gibt es einen Snack und um
17:30 Uhr Abendessen. Wir essen das gleiche Essen wie die Kinder. Es
gibt eigentlich jeden Tag Fleisch, Kartoffeln, Reis, Bohnen oder/und
Linsen. Einfaches Essen, was meist besser schmeckt als es aussieht.
Es wird sehr streng darauf geachtet, dass sich Mädchen und Jungen
getrennt auf ihrem Flur aufhalten. Die Gates, die die Flure
voneinander trennen, werden nachts abgeschlossen,. Die im Hostel
lebenden Kinder dürfen das Hostel nicht (ohne besondere Genehmigung
und/oder Einverständniserklärung der Eltern) verlassen und sie
sagen selber, dass es sich teilweise anfühlt wie eingesperrt. Einige
der Regeln halten wir persönlich für sinnvoll, doch es gibt Dinge,
die uns unnötig erscheinen. An manchen Tagen, wurden die Gates vor
18:00 Uhr verschossen, was unserer Meinung nach wirklich übertrieben
ist. Trotzdem können sich so gut wie alle Kinder glücklich
schätzen, dass sie im Hostel leben, da viele aus schlechten
familiären Verhältnissen stammen. Wir haben ein sehr gutes
Verhältnis zu vielen Kindern im Hostel, da kommt es vor, dass sie
uns über sich und ihre Familien erzählen und man Geschichten hört,
die einen sehr traurig machen können. Viele der Eltern sind auf
Drogen oder Alkoholabhängig, einige der Kinder sitzen aufgrund von
Unfällen im Rollstuhl oder wissen nicht, wo sich ihre Mutter
zurzeit aufhält, da sie vermisst wird. Die Geschichte eines Jungen
aus der 12. Klasse hat uns sehr berührt. Er hat davon erzählt,
wieso er im Rollstuhl sitzt. Er war in einer Gang und sie hatten
einen Kampf, wo ihm 38 mal in den Rücken gestochen und er von
seinen Freunden im Stich gelassen wurde. Doch laut eigener Aussage
kann er sich glücklich schätzen da zu sein, wo er ist und er ist
dankbar für seine zweite Chance. Ich habe sehr viel Respekt vor ihm
und vor all den anderen Kindern, die sehr viel durchmachen, aber
trotzdem jedem Tag mit einem lächeln begegnen.
Brigdetown ist nicht wirklich die sicherste Gegend,
jeder Südafrikaner, dem wir erzählen dass wir in Athlone leben,
fragt zweimal nach und kann nicht glauben, dass wir uns sicher
fühlen. 98% der Bevölkerung sind Coloureds, da fällt man als
junges, weißes Mädchen schon sehr auf. Natürlich muss man sich
daran gewöhnen, dass einem regelmäßig hinterhergepfiffen wird, man
angemacht und auch sehr gerne angestarrt wird, aber es gab bis jetzt
noch keine uns unangenehme Situation und uns kam niemand zu Nahe. Die
Menschen bleiben alle freundlich und auf Abstand. Wir laufen oft zu
der nahe liegenden Mall, würden uns im Dunkeln aber nicht auf der
Straße bewegen. Auch die House-Mommy's und Lehrer sorgen sich sehr um
uns und helfen uns, wo es ihnen möglich ist.
Ich mag die südafrikanischen Kulturen sehr gern und
habe mich auch gut eingefunden, auch, wenn es einige Dinge gibt, die
ich nicht nachvollziehen kann, da eine gewisse Ordnung und Absprache
in manchen Dingen nicht schadet. Teilweise wird man erst sehr spät
bis gar nicht über Planänderungen informiert, wie uns einmal zum
Beispiel erst am Freitag mitgeteilt wurde, dass das Hostel über das
Wochenende geschlossen hat und wir noch am selben Tag ausziehen
müssen. Wir gewöhnen uns aber so gut wie möglich daran. Außerdem
entwickeln wir ein anderes Gefühl für Geld, was am Anfang unseres
Freiwilligendienstes günstig für uns war, ist es inzwischen oft
nicht mehr.
Kapstadt hat sehr mit Wasserknappheit zu kämpfen, was
große Auswirkungen haben kann, wenn nicht alle gemeinsam darauf
achten, wie viel Wasser sie täglich verbrauchen. Eine Dusche sollte
zurzeit nicht länger als 90 Sekunden anhalten und Autos waschen, den
Pool auffüllen oder den Rasen sprengen sind streng verboten.
Ich kann sagen, dass ich mich meiner Meinung nach sehr
gut an die Umstände angepasst habe, ich meine Ansprüche in Sachen
Wohnen, Sauberkeit und Essen runtergeschraubt habe und viel mehr zu
schätzen weiß, wie gut es uns eigentlich geht. So schreie ich nicht
mehr bei jeder Kakerlake laut auf und probiere so viel Wasser zu
sparen, wie nur möglich, denn ich bin für die restliche Zeit meines
Freiwilligendienstes ein Teil Kapstadts und Kapstadt ist ein Teil von
mir.